Verfahrenskombination von Tiefziehen und Innenhochdruck-Umformen: Modell einer Pkw-Motorhaube


Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Chemnitz

Gleichzeitige Fertigung von Innen- und Außenhaut durch eine Verfahrenskombination von Tiefziehen und Innenhochdruck-Umformen

Gemeinschaftsprojekt von Dr. Meleghy Hydroforming GmbH & Co. KG, Zwickau und Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik, Chemnitz

1. Problemstellung

Die derzeitige Herstellung einer Pkw-Karosserie und deren Anbauteilen setzt sich aus den verschiedensten, komplexen Fertigungs- und Umformverfahren zusammen. Als ein charakteristisches Bauteil kann eine Motorhaube dienen. Aus einer Platine muß die Außenhaut der Haube mittels Tiefziehen gefertigt werden. Da es sich um ein Sichtteil handelt, sind die Anforderungen an die Oberflächengüte sehr hoch. Eine zweite Platine, die das Innenteil der Motorhaube bildet, muß ebenfalls tiefgezogen werden. Daran schließen sich Schneideoperationen an, die u.a. einer Gewichtsreduzierung dienen. Im Anschluß müssen die Außen- und Innenhaut zusammengesteckt, ausgerichtet und gefügt werden.

Für die beschriebenen Arbeitsschritte werden viele, kostspielige Werkzeuge und Anlagen benötigt. Zur Fertigung der Außen- und Innenhaut müssen zwei verschiedene Tiefziehwerkzeugsätze angefertigt werden. Je nach benötigter Stückzahl und Auslastung der Anlagen muß gegebenenfalls das Tiefziehen auf zwei unterschiedlichen Pressen erfolgen. Für das Ausstanzen von Teilbereichen des Innenteiles wird möglicherweise eine separate Schneideanlage benötigt. Abschließend müssen die beiden Teile noch in einer Vorrichtung ausgerichtet und mit dem jeweiligen Verfahren (Schweißen, Kleben, Falzen, ...) gefügt werden. Um die Fertigung wirtschaftlicher zu gestalten, muß versucht werden, die Arbeitsschritte und die Investitionskosten für Werkzeuge und Anlagen zu reduzieren.

Der geplante Lösungsweg nutzt dieses Einsparungspotential, indem er die Umformverfahren Tiefziehen und Innenhochdruck-Umformen (IHU) in einem einzigen Werkzeug kombiniert. Die Motorhaube ist dabei als Doppelblech ausgeführt, so daß die unterschiedlich dicken Bleche für Außen- und Innenteil gemeinsam in einer Arbeitsstufe umgeformt werden. Darüber hinaus bietet dieses Verfahren die Möglichkeit den Beschneidevorgang und die Fügeoperation zu integrieren. Zur Grundlagenuntersuchung kommt vorerst das Modell einer vereinfachten unf verkleinerten Pkw-Motorhaube zum Einsatz.

Zu diesem Zweck wurde der Fertigungsprozeß mit Hilfe der Methode der finiten Elemente simuliert, um Aussagen über eventuelle Umformfehler und potentiell kritische Bereiche zu erhalten sowie geometrische und Prozeßparameter iterativ zu optimieren. Dadurch sollte eine stabile Prozeßvariante gefunden werden, so daß für den Realprozeß nur noch eine Feinabstimmung der Einstellkurven vorzunehmen ist.

Abbildung 1: Modell einer Motorhaube, gefertigt mittels einer Verfahrenskombination aus Tiefziehen und IHU

2. Modell

Der Werkzeugsatz für die Simulation besteht aus der Matrize (grün), dem Niederhalter (gelb), dem äußeren Ringstempel (orange) und dem inneren Ringstempel (rot). Der Niederhalter hält die beiden Blechplatinen, während sie mit dem äußerem Ringstempel in die Matrize (tief)gezogen werden. Anschließend wird der innere Ringstempel geschlossen, um für den folgenden IHU-Prozeß eine geschlossene Fertigformgeometrie zu erhalten. Die Klemmung der beiden Bleche zwischen Matrize und äußerem Ringstempel reicht aus, um die Platinen gegen den herrschenden Innendruck abzudichten.Die Befüllung mit dem Fluid erfolgt über extra dafür vorgesehende Adapter.

Abbildung 2: Modell der vernetzten Werkzeuge

Der Zuschnitt der Ausgangsplatinen wurde aus der Form des für den Tiefziehvorgang wesentlichen äußeren Ringstempels abgeleitet. Die Platinen wurden etwas größer als dessen Außenkontur gewählt. In den Ecken sind die Platinen beschnitten worden. Die Ausgangsvernetzung der Werkstücke war in einer ersten Variante parallel zu den Koordinatenachsen gewählt und im Preprozessor durch Trimming nach der oben definierten Außenkontur beschnitten worden. Die günstigere zweite Variante orientiert die Netzlinien an der Außenkontur, so daß die Trimming-Operationen entfallen und nur in den Ecken Netzkorrekturen (Beschneidungen) erforderlich sind. Die beiden Platinen sind in Ausgangsform und -vernetzung deckungsgleich. Sie können während der Simulation in zwei Stufen adaptiv verfeinert werden.

Abbildung 3: Modell der vernetzten Platine

3. Ergebnisse

Mit den vorgenommenen Optimierungen des Zuschnittes und der Auslegung von Werkzeugbewegungen und Druckverlauf ließ sich die Motorhaube in der gewüschten Weise ausformen.

Abbildung 4: Kombinierter Tiefzieh- und IHU-Prozeß

Die größten auftretenden Abstreckungen der Innenplatine nach dem Umformprozeß liegen in der Größenordnung von 20 %, einem Wert, der vom verwendeten Werkstoff ohne Probleme erreicht wird.

Abbildung 5: Ausdünnung des Innenbleches

Die Dehnung der Außenplatine ist aufgrund geringer plastischer Formänderungen absolut unkritisch. Hier stellt sich eher die Frage nach der Größe der Rückfederung, die bei geringen Formänderungen sehr groß sein kann. Die Rückfederungen sind allerdings bei FEM-Berechnungen stets kritisch zu bewerten. Noch sind nicht alle Einflußfaktoren genügend bekannt und quantifizierbar, so daß die Ergebnisse nur einen Eindruck von der zu erwartenden Größenordnung der Rückfederung zulassen. Es zeigt sich, daß im Außenblech nach der Rückfederung Abweichungen von ca. +/- 0,6 mm gegenüber der Sollgeometrie (Werkzeugfläche) auftreten.

Abbildung 6: Rückfederung des Außenbleches