Vorformen der Bauteilachse: Biegesimulation


Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU, Chemnitz

1. Grundlagen zum Biegen von Hohlprofilen

Das Biegen von Werkstücken gehört zu den am häufigsten eingesetzten Umformverfahren. Charakteristisch für alle Biegeteile ist die Spannungs-/Dehnungsverteilung, mit

- einer Zugspannungszone im Außenbogen, in der der Werkstoff abgestreckt wird,

- einem Druckspannungsbereich auf der Innenseite , wo es zu einer Materialaufdickung kommt,

- und einer weitgehend spannungs- und dehnungsfreien Ebene zwischen den beiden erstgenannten Bereichen.

Diese Spannungen und Dehnungen sind verantwortlich für eine Kaltverfestigung, die sich durch eine Zunahme der Härte bemerkbar macht. Gleichzeitig nehmen die Bruchdehnung und somit das verbleibende Umformvermögen ab.

Die Größe der Abstreckung hängt u.a. von dem Biegeradius ab. Bei einem größeren Biegeradius nimmt die Längendehnung auf dem Außenbogen ab und das Material wird weniger abgestreckt. Bei der Verwendung eines Biegedorns steigt die Abstreckung des Materials auf dem Außenbogen im Vergleich zum dornlosen Biegen an. Die Materialaufdickung auf der Innenseite des Profils ist unabhängig davon, ob mit oder ohne Dorn gebogen wird. Beim dornlosen Biegen kann es zu einer Abflachung des Rohrquerschnittes kommen. Mit dem Einsatz des Biegedorns erhöht sich allerdings durch den größeren Reibwiderstand auch das erforderliche Biegemoment. Neben den erwähnten Änderungen der Wanddicke kann es zu weiteren geometrischen Abweichungen kommen. Bei dünnwandigen Rohren ist ab einem bestimmten von Durchmesser zu Wanddicke (d/s > 16) eine Faltenbildung auf der Innenseite des Profils zu beobachten. Mit dem Einsatz eines geeigneten Biegedorns und eines Faltenglätters kann die Faltenbildung verhindert bzw. vermindert werden.

In der Simulation bieten sich unterschiedliche Methoden an ein gebogenes Rohr zu modellieren. Einige diese Varianten behandeln nicht den eigentlichen Biegevorgang, sondern erstellen ein gebogenes Rohr für einen nachfolgenden Umformvorgang.

Die schnellste Methode mit dem geringsten Aufwand ist die Modellierung eines idealen, gebogenen Rohres. Dieses Rohr besitzt eine unverformte Geometrie mit einer homogenen Wanddicke. Es ist eigenspannungsfrei und unverfestigt mit einem isotropen Werkstoffzustand. Ein derartiges ideales Rohr läßt sich mit einem CAD-Programm erstellen und besitzt ein gleichmäßiges Netz. Kenntnisse des Biegeprozesses sind nicht notwendig. Durch die starke Idealisierung sinkt allerdings auch die Zuverlässigkeit der Ergebnisse. Ein weiterer Nachteil ist die Vernachlässigung aller umformbedingten Werkstückveränderungen. Diese Methode ein gebogenes Rohr zu generieren bietet sich allenfalls bei kleinen Biegewinkeln und dickwandigen Rohren an.

Abbildung 1: Modell eines gebogenen Rohres mit homogener Struktur

Eine Erweiterung der Methode mit einem homogenen Rohr ist die Modellierung eines gebogenen Rohres mit manuell editierter Wanddicke. Die Grundlage bilden experimentell oder empirisch ermittelte Werte. Der Vorteil dieser Methode ist die Berücksichtigung geometrischer Änderungen des Querschnitts und der Wanddicke ohne eine zeit- und rechenintensive Biegesimulation. Gegen diese Variante sprechen der erhöhte Konstruktionsaufwand und die Vernachlässigung von Werkstoffänderungen. Anwendung findet diese Variante vor allen Dingen bei Profilen, die nach dem Biegen einer Wärmebehandlung (Glühen) unterzogen werden.

Abbildung 2: Modell eines gebogenen Rohres mit manuell edtierter Wanddicke

2. Aufbau einer Schwenkbiegemaschine

Eine weite Verbreitung finden konventionelle Schwenkbiegemaschinen. Ein typisches Modell für die Simulation ist im Folgenden zu sehen.

Rot : Biegerolle

Blau : Dorn

Orange : Kugel

Grün : Faltenglätter

Gelb : Gleitschiene

Bei einem realen Biegeprozess wird das Rohr zwischen einem Klemmstück und dem geraden Ende der Biegerolle eingespannt und anschließend um die Rolle herum gezogen. In der Simulation fällt das Klemmstück weg und dessen Funktion wird über Bewegungsrandbedingungen nachgebildet.

Abbildung 3: Simulationsmodell einer Schwenkbiegemaschine

3. Varianten des Innendorns

Die einfachste Variante eines Innendorns stellt der Löffeldorns dar. Er besitzt keine beweglichen Teile und muss für jeden Rohrdurchmesser und Biegeradius neu angefertigt werden. Das Einsatzgebiet liegt bei kleineren Durchmesser-/Wanddickenverhältnissen und entsprechend großem Verhältnis von Biegeradius zu Durchmesser.

Abbildung 4: Simulationsmodell eines Löffeldorns

Ein Kugeldorn eignet sich im Vergleich zum Löffeldorn für dünnwandigere Rohre. Das bei einem realen Kugeldorn verwendete Gelenk zwischen Kugel und Dorn wird in der Simulation nicht mitmodelliert. Indem eine Rotation um einen festen Raumpunkt zugelassen wird, kann das Bewegungsverhalten einer realen Kugel nachempfunden werden.

Abbildung 5: Simulationsmodell eines Kugeldorns

Der anspruchsvollste Dorn, sowohl in der Fertigung im Realen als auch bei der Modellierung für die Simulation, ist der Gliederdorn. Über Randbedingungen werden die sich gegenseitig beeinflussenden Bewegungsfreiheitsgrade der einzelnen Glieder berücksichtigt. Gliederdorne werden speziell bei dünnwandigen Rohren und kleinen Biegeradien eingesetzt.

Abbildung 6: Simulationsmodell eines Gliederdorns

4. Bewegungsrandbedingungen

In den Bewegungsrandbedingungen werden die Komponenten, die keine direkte Bewegung ausführen als starr angenommen. Neben der Kugel, die einen Freiheitsgrad für die bereits beschriebene Rotation um einen festen Punkt, der in der Spitze des Dorns liegt, besitzt, muss die Bewegung der Biegerolle definiert werden. Dafür wird neben der kompletten Rolle auch jener Teil des Rohres, der durch das Klemmstück geklemmt wird, als starrer Körper definiert. Als Drehpunkt wird in dem Mittelpunkt der Biegerolle ein Knoten gesetzt, den man als "Center of gravity" bezeichnet. Im folgenden wird lediglich dieser eine Knoten um den gewünschten Biegewinkel gedreht. Die als Starrkörper definierten Elemente bewegen sich dann um diesen Punkt, ohne das eine Relativbewegung untereinander zugelassen ist.

Abbildung 7: Bewegungsrandbedingungen für den Biegeprozess

5. Biegesimulation

Im folgenden ist neben einem gebogenen Rohr mit Faltenbildung, bedingt durch die Verwendung eines nicht geeigneten Biegedorns, ein Biegeprozess zu sehen. Der Biegewinkel beträgt 90 Grad. Dargestellt ist die Abstreckung der Rohrwand. Die roten Bereiche kennzeichnen Stellen mit Ausdünnung, während die blauen Bereiche eine Aufdickung bzw. Wanddickenzunahme darstellen.

Abbildung 8: Unzulässige Faltenbildung im Innenbogen

Abbildung 9: Simulation des Biegevorgangs