Gewichtsminimierung eines Robotergreifers (FE-Design GmbH, Karlsruhe)


Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, Bremen

1. Problemdarstellung

Auf der rechten Seite wird über einen Hydraulikzylinder die Kraft eingeleitet. Die Greiferbacken sind radial gelagert und schließen im linken Bereich. Durch die eingebaute Feder wird die Aufweitung der Backen nach dem Greifvorgang realisiert (Abb. 1).

Zur Erhöhung der maximalen Beschleunigung bei der Bewegung des Greifers – und damit zu Verkürzung der Positionierzeiten, ist ein möglichst geringes Bauteilgewicht von Vorteil. Die erforderliche Anpressdruck der Greiferbacken ist über die Anforderungsliste vorgegeben. Die notwendige Steifigkeit sowie das Material des Greifers sind ebenfalls festgelegt (Abb. 2).

Abbildung 1: Funktionsprinzip eines Robotergreifers

Abbildung 2: Ausgangsmodell Robotergreifer

2. Modellgeometrie und Randbedingungen

Um eine Topologieoptimierung durchführen zu können muß der maximal zur Verfügung stehende Bauraum definiert sein. Neben dem FE-Analysemodell mit der Vernetzung und den Randbedingungen sind zusätzlich die Randbedingungen für die Optimierung selbst zu spezifizieren.

In diesem Beispiel ist der maximal zulässige Bauraum sehr einfach. Er wird mit Hilfe eines einfachen CAD-Modells spezifiziert. Das CAD-Modell des Bauraumes für den Robotergreifer ist in Abb. 3 zu sehen. Bei komplexeren Bauräumen ist die Übergabe der Daten aus einem DMU-System möglich.

Die Geometrie wird als IGES –Modell in einen FEM-Preprozessor importiert. Je nach verwendetem CAD-System und FEM-Preprozessor ist ein Austausch über IGES, VDAFS, STEP, ACIS, Parasolid oder über eine eventuell vorhandene Direktschnittstelle möglich. Nach dem Geometrieimport wird der zulässige Bauraum diskretisiert. Üblicherweise verwendet man den im Preprozessor integrierten Vernetzer. Im vorliegenden Beispiel wurde aufgrund von Zeitgründen ein schnell zu erzeugendes Tetraeder-Netz generiert. Die Anzahl der notwendigen Elemente ist gegenüber einem aufwendigeren Bricknetz etwas größer, wodurch die anschließende Rechenzeit für die Berechnung und Optimierung größer wird. In der Summe ist diese Vorgehensweise bei diesem Beispiel jedoch die wirtschaftlichere und schnellere. Neben der Vernetzung sind des Weiteren die FEM-Randbedingungen zu definieren:


(1) 2-fache Lagerung der Querbohrung (spielfreier Bolzen)

(2) Druck auf Funktionsflächen (Greiferbacken)

(3) Starres Gegenlager (um Kräftegleichgewicht zu garantieren)

(4) Materialeigenschaften (E-Modul, Querkontraktionszahl, Materialdichte)

(5) Die Federkräfte sind im Belastungszustand vernachlässigbar klein und werden nicht modelliert.

Abbildung 3: CAD-Geometrie des Greifers

3. Optimierungsmodell

Ziel der Optimierung ist die Minimierung des Gewichtes. Für die Optimierung müssen, neben dem maximal zulässigen Bauraum, noch weitere Randbedingungen definiert werden:


(1) Vorgabe einer erforderlichen Mindeststeifigkeit,

(2) Vorgabe von Funktionsflächen, die während der Optimierung nicht verändert werden dürfen (diese FROZEN-Gebiete sind in Abb. 4 rot dargestellt).


In der Regel ist es bei einer Topologieoptimierung nicht möglich, alle erforderlichen Randbedingung, die aus der Fertigung kommen, zu berücksichtigen (z.B. Gußschrägen, .. ). Oft ist es sinnvoll, sich nur auf die Wesentlichsten zu beschränken und dem System somit eine maximale Variationsbreite zu ermöglichen. Auf diese Weise hat man eine sehr gute Referenzlösung. Wenn man bei der anschließenden Nachbereitung weitere Randbedingungen berücksichtigt, kann man am Ende abschätzen, welches Potential durch eventuell modifizierbare Fertigungsbedingungen noch auszunutzen wäre.

Nachdem die eigentliche Topologieoptimierung relativ rechenzeitaufwendig ist, ist es ratsam, vorab eine FE-Analyse durchzuführen. Auf diese Weise kann man die Randbedingungen und die definierten Lastfälle nochmals kontrollieren. Außerdem kann man mit den verbrauchten Ressourcen und dem CPU-Zeitbedarf eine Abschätzung für die Zeitdauer der eigentliche Toplogieoptimierung vornehmen.

Abbildung 4: Definition der Randbedingungen

4. Topologieoptimierung

Die Topologieoptimierung selbst bedeutet für den Anwender nur das Starten eines Batchjobs. Je nach vorhandener Rechenleistung und verwendetem FE-Solver ergibt sich eine Wartezeit von ein paar Minuten bis zu vielen Stunden. Die notwendige Wartezeit ergibt sich aus der Anzahl der Elemente und Knoten des FE-Modells sowie der Anzahl von Zyklen, die für die Optimierung durchlaufen werden müssen.

Aufbauend auf der Methode der Finiten Elemente wird bei der Topologieoptimierung eine Modifikation des Bauteiles durchgeführt. Die Analyseergebnisse eines herkömmlichen FEM-Solvers werden über geeignete Schnittstellen dem Optimierer zur Verfügung gestellt. Dieser wertet die Ergebnisse aus und führt eine Modifikation des Bauteiles durch. Dieses modifizierte Bauteil wird einer erneuten FEM-Analyse unterzogen und durch ein mehrmaliges Durchlaufen dieser Optimierungsschleife wird die optimale Bauteilgestalt ermittelt (Abb. 5). Die Materialumverteilung wird über eine elementweise Modifikation der Steifigkeiten simuliert. Hierbei wird auf eine entsprechende Dichte-Steifigkeitsbeziehung von porösen Materialien zurückgegriffen.

Der Optimierer durchläuft ca. 20-30 Zyklen. Zuerst wird an Orten Material entfernt, die mit großer Sicherheit nicht benötigt werden. Prinzipiell ist es möglich, daß Material, das einmal eliminiert wurde, in einem nachfolgenden Zyklus wieder aktiviert wird. Dies ist insbesondere bei Problemen mit mehrere Lastfällen relevant. Im dargestellten Beispiel des Robotergreifers ist dieser Effekt nicht zu beobachten, weil nur ein Lastfall auf die Struktur wirkt (Abb. 6).

Abbildung 5: Schematischer Ablauf der Optimierung

Abbildung 6: Topologieoptimierung

5. Ergebnis der Topologieoptimierung

Das Ergebnis der Topologieoptimierung ist eine Struktur mit einer kantigen Oberfläche. Diese Struktur ergibt sich dadurch, daß alle 'überflüssigen' Elemente der Ausgangsstruktur nicht mehr sichtbar sind. Aus der 'Reststruktur' läßt sich der Kraftfluß ablesen. Dieser Designentwurf besitzt ein minimales Gewicht unter Einhaltung der vorgegebenen Randbedingungen (vorgegebene Mindeststeifigkeit) und dient als Ausgangspunkt für die Weiterverarbeitung.

Abbildung 7: Toplogieoptimierter Bauteilentwurf

6. Nachbearbeitung der Optimierungsergebnisse

Eine nachgeschaltete ergebnisorientierte und/oder geometrieorientierte Glättung der Ergebnisse der Topologieoptimierung erlaubt die bessere Beurteilung der Bauteilgestalt (Abb. 8). Hierzu existieren verschiedene Verfahren.

Aufbauend auf der geglätteten Struktur können über spezielle Schnittstellen weitere Dateiformate generiert werden:


(1) VRML: Die Generierung einer VRML Datei erlaubt die einfache und schnelle Diskussion des Entwurfes über Abteilungs- und Firmengrenzen hinaus. Für die Darstellung dieses Formates existiert eine Vielzahl von frei verfügbaren Viewern (z.B. CosmoPlayer in Netscape oder MS-Explorer).

(2) FEM-Schalenmodell: Die Generierung eines FEM-Schalenmodells der Oberfläche erlaubt die schnelle Weiterverarbeitung in einem nachgeschalteten Prozeß. Ausgehend vom Oberflächennetz ist eine Volumenvernetzung möglich. Auf diese Weise kann eine weitere FE-Anaylse und genaueren Verifizierung der Ergebnisse gestartet werden. Außerdem ist dieses Modell als Ausgangsbasis für eine sich anschließende Gestaltoptimierung zur weiteren Minimierung der Beanspruchung sowie zu einer Maximierung der Lebensdauer geeeignet.

(3) STL (Stereolithography): Das STL-Format bietet neben der Möglichkeit der Visualisierung noch die Möglichkeit des Rapid-Prototyping. So kann der Bauteilentwurf schnell in einen realen Prototypen umgesetzt werden (Abb. 9).


Der Designentwurf, der mittels Topologieoptimierung ermittelt wurde, kann nun in ein CAD-System zurückgeführt werden (Abb. 10). Unter Berücksichtigung konstruktiver Aspekte wird eine Neukonstruktion durchgeführt, wobei der Designentwurf als Konstruktionsvorlage dient. Gegenüber den VRML, STL oder FE-Oberflächenmodellen, die teilweise aus vielen tausend Dreiecksflächen bestehen, ist eine Datenreduktion sinnvoll.

Abbildung 8: Geglättete Struktur des Greifers

Abbildung 9: Realer Prototyp (mittels Rapid-Prototyping)

Abbildung 10: Rückführung in die CAD-Umgebung

7. Zusammenfassung

Im nachfolgenden Flow-Chart ist der gesamte Entwicklungsprozeß zugefaßt (Abb. 11).

Aufwand: Der Gesamtaufwand ist überschaubar. Die Erstellung des CAD-Modells, die Vernetzung, die Definition des Optimierungsproblems sowie die Glättung am Ende der Topologieoptimierung sind relativ zügig durchzuführen. Die eigentliche Topologieoptimierung erfordert keine Benutzerinteraktion, auf die Ergebnisse muß man jedoch einige Zeit warten (in diesem Beispiel ca. 10 Std auf einem PC Pentium III, 256 MB RAM). Der größte Zeitaufwand liegt in der Abstraktion des realen Problems (wie muss ich mein FE-Modell aufbauen, welches sind meine Lasten, meine Randbedingungen und meine Materialeigenschaften) sowie in der Aufbereitung und Überführung der Ergebnisse im ein CAD-System. Das gesamte Projekt kann, mit Erfahrung, in 1 bis 3 Tage bearbeitet werden. Anschließend liegt ein Robotergreifer vor, der bei vorgegebener Steifigkeit und ausreichender Festigkeit ein minimales Gewicht aufweist.

Vergleich zum konventionellen Prozess: Stellt man die beschriebene Vorgehensweise der konventionellen Prozeßkette gegenüber, dann wird die Beschleunigung und Zeitersparnis sowie die Qualität der Lösung deutlich.

(1) Konstruktion eines Robotergreifers in einem CAD-System.

(2) Überführung des CAD-Modells in ein FE-Modell, Berechnung und Auswertung.

(3) Erste Modifikation des CAD-Modells aufgrund von Diskussionen und Ideen der Analysespezialisten und Konstrukteure.

(4) Nochmalige Überführung des CAD-Modells in ein FE-Modell, Berechnung und erneute Verifikation.

(5) ... gegebenenfalls werden die Schritte 3. und 4. mehrmals wiederholt, so lange bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wurde.


Fazit: Dem Konstrukteur steht mit dem Einsatz der Topologieoptimierung ein effizientes Werkzeug zur Seite, das eine Verkürzung des Konstruktionsprozesses erlaubt. Der Anwender hat einen hohen Nutzen bei einem äußert günstigen Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen.

Abbildung 11: Flow-Chart des Entwicklungsprozesses

Abbildung 12: Topologieoptimierung im Konstruktionsprozeß


Weiterführende Links:

www.fe-design.de
www.ivip.de