Klebgerechtes Design einer Flanschklebverbindung


Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, Bremen

Aufgrund vorhandener Spannungsspitzen in den Übergangsbereichen überlappter Klebverbindungen kann Klebschichtversagen durch lokale Überschreitung der Fließspannung eintreten. Durch optimales Design der Klebschicht lässt sich jedoch ein günstigerer Spannungsverlauf erzielen und die Festigkeit der Klebverbindung steigern.

1. Problemstellung

Behandelt wird die hochfeste Verklebung eines Stahlflansches mit einem Kunststoffrohr. Die Designlast wirkt als Zugkraft in Richtung der Symmetrieachse und beträgt 33 kN. Klebschichtdicke und Überlappungslänge sind aus konstruktiven Gründen festgelegt. Das Spannungsverhalten ist durch geeignetes Kehlnahtdesign zu optimieren.

Die Bauteilgeometrie liegt als CAD-Modell vor, welches mit Hilfe des CAD-Programmes Pro/Engineer erzeugt wurde (Abbildung 1).

Abbildung 1: Geometrie der Flanschklebverbindung. Flansch - grau, Klebschicht - schwarz, Kunststoffrohr - grün.

2. Vernetzung des Modells

Das Bauteil ist spiegelsymmetrisch bezüglich der Ebene senkrecht zur Symmetrieachse in der Mitte des Kunststoffrohres. Daher genügt es, nur eine Hälfte des Bauteils zu modellieren. Das Modell wurde mit axialsymmetrischen 8-Knoten-Elementen vernetzt. Die Kraft greift als -33kN Punktlast in 2-Richtung im Bereich der Bohrungen an. Um die durch die Einspannung aufgeprägte Bewegung des Flansches besser anzunähern, wurden zusätzlich Knoten an die Verschiebung des Krafteinleitungsknotens in 2-Richtung gekoppelt. Die Bewegung der Knoten in der Spiegelebene wurde in 2-Richtung fixiert.

Abbildung 2: FE-Modell in axialer Symmetrie. Flansch - grau, Kunststoffrohr - grün, Klebschicht - schwarz. Rote Pfeile: Verschiebung in 2-Richtung fixiert, weißer Pfeil: Kraftvektor.

In Abbildung 2 und 3 ist die Vernetzung dargestellt. Die Darstellung in kartesischen Koordinaten folgt aus X_1=r*sin(phi), X_2=z, X_3=r*cos(phi), r=sqrt(X_1^2 + X_3^2), wenn r der Abstand, phi der Drehwinkel und z die Koordinate entlang der Symmetrieachse des Zylinders ist.

Abbildung 3: FE-Modell: Detailansicht der Vernetzung mit Kehlnaht. Flansch - grau, Kunststoffrohr - grün, Klebschicht - schwarz.

Klebstoff, Kunststoff und Stahlflansch wurden jeweils mit linear-elastischen Materialmodellen beschrieben. Alle hierfür erforderlichen Modellparameter wurden aus statischen Zugversuchen ermittelt.

3. Ergebnisse der Simulationsrechnungen

Die aus der Belastung resultierende Verformung des Modells ist in Abbildung 4 vergrößert dargestellt. Anhand des Verformungsbildes wird deutlich, dass zusätzlich zu den Normalspannungen in r- und z-Richtung, die im ebenen Fall auftreten, eine dritte Normalspannung in phi-Richtung wirkt. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Belastung der Klebschicht, die besonders durch die starke Verformung des Kunststoffrohres am Ende des Flansches zutage tritt.

Abbildung 4: Verformung des Bauteils (vergrößert)

Um die berechnete Steifigkeit des Modells mit experimentellen Daten vergleichen zu können, ist es möglich, die Verformungen beispielsweise mit dem 3-D-Rasterverfahren zu messen. Beispiele für gemessene und berechnete Werte, die an einem Kunststoffrohr ermittelt wurden, zeigt Abbildung 5.

Abbildung 5: Berechnete (links) und gemessene Dehnungen (rechts) in axialer Richtung

Die Spannungsverteilung in der Klebschicht mit rechteckigem Querschnitt ist in den Abbildung 6 und 7 dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Dehnungen der Fügepartner ist der Verlauf der Schubspannung asymmetrisch und die Schubspannung nimmt am Ende des Flansches zu.

Abbildung 6: Links: Schubspannungsverteilung in (r,z)-Ebene. Rechts: Normalspannungsverteilung in r-Richtung (Radialspannung)

Die Radialspannung liegt über weite Bereiche nahe bei Null. Am Ende des Flansches zeigt sich ein sprunghafter Abfall in den negativen Bereich. Ursache ist die unterschiedliche Dehnung der Fügepartner.

Abbildung 7: Links: Normalspannungsverteilung in z-Richtung. Rechts: Normalspannungsverteilung in phi-Richtung (Ringspannung).

Durch die Änderung des Rohrdurchmessers bei Zugbeanspruchung entsteht ein Druck in phi-Richtung (Ringspannung). Durch die verschwindend geringe Verformung des Flansches entsteht eine zusätzliche, überlagerte Belastung.

Abbildung 8: Schubspannungsverteilung in der Klebschicht für zwei verschiedene Ausführungen einer 45-Kehlnaht

Aufgrund des beschriebenen Spannungsverlaufs ist besonders am Ende des Flansches Versagen der Klebschicht durch lokale Überschreitung der Fließspannung des Klebstoffs zu erwarten. Durch geeignetes Design der Klebschicht lässt sich jedoch ein günstigerer Spannungsverlauf erzielen.

Abbildung 9: Schubspannungsverteilung in der Klebschicht für 30-Kehlnaht und 15-Schäftung auf der Innenseite des Flansches

Abbildung 8 und 9 zeigen den Schubspannungsverlauf im Querschnitt der Klebschicht am Ende des Flansches. Durch Anbringen einer 45-Kehlnaht wird die Schubspannung im Vergleich zur Klebschicht mit rechteckigem Querschnitt deutlich reduziert. Optimal für den Verlauf der Schubspannung sind auch der außen geschäftete Flansch sowie die 30-Kehlnaht. Die Spannungsüberhöhung an den Kanten ist eine Folge der Idealisierung; in der Realität existieren keine unendlich scharfen Kanten.

Abbildung 10: Berechnete Spannungswerte für verschiedene Kehlnahtausführungen in der Mitte der Klebschicht. Links: Schubspannung, rechts: Normalspannung in Richtung der Symmetrieachse.

Abbildung 10 und 11 zeigen den Verlauf aller Spannungskomponenten für jeweils unterschiedliches Klebschichtdesign. Die Spannung wurde entlang eines Pfades in der Mitte der Klebschicht parallel zur Symmetrieachse des Modells berechnet. Auf der x-Achse ist jeweils der Abstand vom unteren Ende der Klebschicht in mm aufgetragen. Bei etwa 80 mm befindet sich das Ende des Stahlflansches.

Abbildung 11: Berechnete Spannungswerte für verschiedene Kehlnahtausführungen in der Mitte der Klebschicht. Links: Radialspannung, rechts: Ringspannung.

Ohne Kehlnaht (schwarz) herrschen außer hohen Schubspannungswerten auch hohe Radial- und Ringspannungen. Durch die Auslegung mit 45-Kehlnähten (grün und rot) steigt zwar die Normalspannung geringfügig an, aber die Radial- und Ringspannungsspitzen werden abgebaut. Ähnliches gilt für die 30-Kehlnaht (blau), jedoch ist der Normalspannungsverlauf ungünstiger.

Bei Verwendung eines außen geschäfteten Flansches (hellblau) ergibt sich ein optimaler Verlauf der Schubspannung, jedoch steigen die Radial- und Ringspannungen an.

Für einen optimalen Spannungsverlauf sind demzufolge die 45-Kehlnähte zu verwenden.