Mehrkörpersimulation am Beispiel eines Lokokomotiv-Drehgestells


Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, Darmstadt

1. Problemstellung

Neuentwickelte Hochgeschwindigkeitszüge, werden für die Abnahme auf Fahrsicherheit, Fahrwegbeanspruchung und Fahrkomfort untersucht. Dazu werden Kräfte im Rad-Schiene Kontaktbereich und Beschleunigungen am Wagenkasten gemessen. Im UIC 518 sind Grenzwerte vorgegeben, die nicht überschritten werden dürfen. Die Grenzwerte hängen von der Auslegung der Feder- und Dämpferelemente der Primär- und Sekundärlagerung, sowie von Gleislagefehlern und Fahrgeschwindigkeit ab. Da sich die Lokomotive in der Entwicklung befindet, gibt es noch keinen Prototyp. Mit Hilfe der Mehrkörpersimulation sollen trotzdem Aussagen über Fahrsicherheit, Fahrwegbeanspruchung und Fahrkomfort gemacht werden. Für die Mehrkörpersimulation wurde das im Eisenbahnbereich häufig eingesetzte Merkörpersimulationsprogramm SIMPACK benutzt.

2. Berechnungsmodell

Für die Mehrkörpersimulation wurde ein Modell bestehend aus 7 Starrkörpern, Primärfederung und Sekundärfederung erstellt. Die 7 Starkörper setzen sich aus 4 Radsätzen, 2 Drehgestellrahmen und dem Lokomotivaufbau zusammen. Insgesamt besitzt das System circa 50 Freiheitsgrade. Die Rad-Schiene Kontakträfte werden nach der Theorie von Kalker bestimmt. Dafür müssen die Geometrie des Rad- und Schienenprofils bekannt sein. Die Lokomotive fährt mit konstanter Geschwindigkeit eine vorgegebene Strecke, die mit gemessenen Gleislagefehlern versehen ist, entlang. Die Bewegungsgleichungen werden numerisch mittels Zeitintegration gelöst.

3. Berechnungsergebnisse

Für die Fahrsicherheit werden bei Geradeausfahrt als Bewertungskriterium die Summe der seitlichen Kräfte zwischen Rad und Schiene pro Radsatz, untersucht. Diese werden jeweils für den ersten und zweiten Radsatz berechnet. Entsprechend dem UIC 518 werden von diesen Größen die gleitenden Mittelwerte über 2 Meter Fahrt gebildet. Nach vollständiger statistischer Auswertung gemäß UIC 518 ergeben sich die statistischen Vergleichswerte in Abbildung 1. Der Grenzwert für die Summe der seitlichen Kräfte des ersten bzw. zweiten Radsatzes beträgt 0.85 * (10 kN + Achslast/3)= 65 kN. In unserem Beispiel betrachten wir die Geradeausfahrt für v=225 km/h. In Abbildung 1 wird dieser Grenzwert von den statistischen Vergleichswerten unterschritten. Für die Fahrwegbeanspruchung werden bei Geradeausfahrt die Vertikalkräfte pro Rad, die zwischen Rad und Schiene wirken, untersucht. Die statistischen Vergleichswerte werden jeweils für die vier Radsätze am ersten und 2. Radsatz berechnet. Der Grenzwert beträgt für v=225 km/h 180 kN. In Abbildung 2 wurde dieser unterschritten.

Abbildung 1: Gleitender Mittelwert der Summe der lateralen Rad-Schiene Kontaktkräfte am ersten bzw. zweiten Radsatz

Abbildung 2 zeigt die Abhängikeit der kritischen Geschwindigkeit von der Lenkungsfederhärte. Je höher die Lenkungsfederhärte (kbx) gewählt wird, desto höher fällt die kritische Geschwindigkeit aus.

Abbildung 2: Vertikale Rad-Schiene Kontaktkräfte für die vier Räder des ersten und zweiten Radsatzes.

Im folgenden ist als Ausschnitt nur das linke vordere Rad der Lokomotive dargestellt. Man sieht darauf den Sinuslauf des Fahrzeugs. Ein Mehrpunktkontakt des Rades mit der Schiene tritt jeweils dann auf, wenn die Amplitude der Schwingung so groß ist, daß der Radkranz an die Schiene anstößt. In der Animation wird dies durch ein auftauchendes Fadenkreuz symbolisiert. Die Animation zeigt die laterale Schwingung des vordersten Rades auf der linken Seite bei einer Geschwindigkeit der Lokomotive von 225 km/h.

Abbildung 3: Die Bewegung des linken Rades des 1. Radsatzes der Lokomotive in der y-z-Ebene dargestellt.